Der Begriff der Polyamorie setzt sich zusammen aus „poly“ (viele) und „amor“ (Liebe). Das beschreibt die Beziehungsform gut: Polyamor lebende Menschen dürfen mehrere Personen gleichzeitig lieben und auch mit mehreren von ihnen eine Beziehung führen. Anders als in einer offenen Beziehung geht es bei den Treffen mit Dritten nicht nur um Sex, sondern auch um tiefe Verbundenheit.
Gemeinsam glücklicher
Der Unterschied zwischen Polyamorie und Polygamie
Polyamorie und Polygamie klingen sehr ähnlich, doch es gibt bedeutende Unterschiede zwischen den Beziehungsformen: Während Polyamorie die Liebesbeziehung einer Person zu mehreren anderen Personen beschreibt, ist die Polygamie die Vielehe. Hier ist eine Person mit mehreren anderen Personen verheiratet, romantische Gefühle sind keine Voraussetzung. Polygamie ist in Deutschland verboten.
Polyamorie bietet viele Möglichkeiten
Polyamore Beziehungen können verschiedene Ausprägungen annehmen. Welche sich jeweils eignet, hängt von der Ausgangskonstellation ab und von den Persönlichkeiten der Beteiligten. Die Beziehungen können unterschiedlich priorisiert sein und sich aus unterschiedlichen Partner-Optionen zusammensetzen, welche im Folgenden näher beschrieben werden.
Primärpartnerinnen und -partner
Mit dieser Person besteht die Hauptbeziehung. Oft handelt es sich zum Beispiel um die Beziehung, die bereits Bestand hatte, bevor ein Paar sich für die Polyamorie entschieden hat. Ein weiterer Begriff für diese Person ist „nesting partner“, weil man sich mit ihr zum Beispiel auch Familie und Kinder vorstellen kann. Neben der Primärpartnerschaft können andere Beziehungen bestehen, dürfen diese aber nicht beeinträchtigen.
Sekundärpartnerinnen und -partner
Es kann eine oder mehrere Personen für eine Sekundärbeziehung geben. Wie eng diese Beziehungen sind, die häufig gleichberechtigt nebeneinanderstehen, hängt von euch ab. Sie sind auf jeden Fall auch langfristig angelegt.
Tertiärpartnerinnen und -partner
Personen für eine Tertiärbeziehung werden oft nicht langfristig ins Leben eingeplant – es handelt sich eher um vorübergehende, leidenschaftliche Affären. Alternativ kann es auch eine Freundin oder ein Freund sein, mit der oder dem ab und zu sexueller Kontakt besteht, ohne dass der Fokus darauf liegt. Die Beziehung ist auf jeden Fall weniger eng als in den Primär- und Sekundärbeziehungen.
Viele Konstellationen sind möglich
Manche Menschen legen Wert auf eine Primärpartnerschaft. Für andere ist an der Polyamorie besonders wichtig, dass keine Partnerin bzw. kein Partner bevorzugt wird, sondern dass alle Beziehungen auf gleich hohem Level sind. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten von Anfang an darüber orientiert sind, welche Konstellation vorherrscht, damit es nicht zu Enttäuschungen und Eifersucht kommt.
Polyamore Beziehungen brauchen klare Regeln
Schon in einer monogamen Paarbeziehung müssen beide Beteiligten viel kommunizieren, damit das Miteinander klappt. Das ist noch weit wichtiger, wenn mehrere Menschen an einem Beziehungsgeflecht beteiligt sind. Wichtig sind vor allem folgende Regeln:
- Ehrlichkeit und Transparenz sind unabdingbar, damit die Beziehungen funktionieren können. Alle Beteiligten sollten von Anfang an offen mit ihren Wünschen umgehen und auch ihre No-Gos klar kommunizieren.
- Es wird gemeinsam abgesprochen, wer dazukommen darf und wer nicht bzw. wie schnell die Erweiterung des Beziehungskreises gehen darf oder sollte.
- Vertrauen spielt eine große Rolle bei Polybeziehungen – vor allem auch Vertrauen darein, dass die eigenen Grenzen respektiert werden.
- Gegenseitige Unterstützung ist nötig: Da es sich um Beziehungen handelt und nicht um Affären, um das eigene Selbstbewusstsein zu stärken, unterstützen sich alle Beteiligten in Polybeziehungen gegenseitig.
- Gemeinsames Zeitmanagement mag irgendwie unsexy klingen, aber es ist essenziell: Schon zwei Leute haben manchmal Schwierigkeiten, ihren Alltag unter einen Hut zu bringen und romantische Zweisamkeit zu pflegen. Bei mehreren Beziehungen potenzieren sich diese Probleme. Daher kann ein gemeinsamer Onlinekalender hilfreich sein.
Bei mehreren Personen kann es leicht vorkommen, dass sich jemand zurückgesetzt oder vernachlässigt fühlt. Auch können Empfindungen sich ändern. Regelmäßige Treffen, um die bestehenden Regeln auf ihre Aktualität zu überprüfen, können daher hilfreich sein.
Polyamorie entsteht oft in kleinen Schritten
Meist findet die Öffnung einer Zweierbeziehung langsam statt: Liebende sprechen über ihre Bedürfnisse und entscheiden sich oft zunächst für eine offene Beziehung, wenn beide Veränderung wünschen. Manche gehen danach den nächsten Schritt und gestehen einander zu, andere Menschen nicht nur körperlich begehren, sondern ihnen auch emotional verbunden sein zu dürfen. Das ist aber ein fortlaufender Prozess, der mit viel Kommunikation, Rücksichtnahme und Respekt verlaufen muss: Er kann nur dann klappen, wenn alle Beteiligten mit allen Neuerungen einverstanden sind.
Paartherapeut und Beziehungscoach Eric Hegmann sagt gegenüber t-online: „Polyamorie ist kein Freifahrtschein für Sex außerhalb einer Beziehung. Es geht darum, seine Liebe, Achtsamkeit und Dankbarkeit für das Zusammensein auf mehr als eine Person zu lenken. Das ist eine Herausforderung, die nicht immer gelingt.“