Dass Fremdgehen die betrogene Person verletzt, dürfte niemanden überraschen. Wir haben gesehen, dass die Gründe für das Fremdgehen vielfältig sind – entsprechend unterschiedlich können auch die Reaktionen darauf ausfallen. Es spielt für die Gefühle der Betrogenen immer eine Rolle, ob es sich um einen einmaligen Seitensprung handelt oder um eine längerfristige Affäre, ob die dritte Person aus dem eigenen Umfeld stammt und ob tiefer gehende Emotionen im Spiel sind. Manche Menschen können Fremdgehen verzeihen, andere erleiden tiefe seelische Verletzungen und entwickeln Symptome wie bei einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Gemeinsam glücklicher
Mögliche Symptome nach dem Fremdgehen
Wer in einer Beziehung untreu wird, hat danach oft ein schlechtes Gewissen. Wer allerdings betrogen wird, kann je nach Situation mit einer ganzen Reihe von schwerwiegenden Symptomen kämpfen, wie eine repräsentative Studie zeigt.
Gefühle wegen der Beziehung
Bezüglich der Beziehung selbst gibt es eine ganze Palette negativer Gefühle, die die betrogene Person haben kann:
- Zukunftsangst
- Ohnmachtsgefühle
- Trauer bis hin zur Depression
- Verzweiflung
- Demütigung
- Gefühl der Wertlosigkeit oder des Nicht-genug-Seins
Alternativ kann auch eine allgemeine emotionale Taubheit auftreten – so schützt der Geist sich davor, den ganzen Schmerz ungefiltert ertragen zu müssen.
Wut
Die Wut von Betrogenen kann sich sowohl gegen die eigene Partnerin bzw. den eigenen Partner als auch gegen die dritte Person richten. 68 Prozent der befragten Frauen sind wütend auf den Partner, 70 Prozent auf die andere Person. Bei Männern ist der Unterschied größer: Nur 47 Prozent sind auf ihre Partnerin wütend, ganz 70 Prozent aber auf die dritte Person.
Nachteilig ist, dass Wut kein konstruktives Gefühl ist. Sie lenkt von möglichen Auswegen ab und weckt den Wunsch nach Rache. Kurzfristig mag das erstrebenswert erscheinen, langfristig macht es alles nur schlimmer.
Misstrauen
Da Betrogene den Beweis bekommen haben, dass ihre Partnerin oder ihr Partner sie hintergehen kann, können sie oft Worten allein keinen Glauben mehr schenken. 58 Prozent der befragten Frauen und 54 Prozent der Männer haben angegeben, nach dem Betrug Mails und SMS ihrer Partnerin oder ihres Partners zu lesen oder Jackentaschen bzw. Handtaschen zu durchsuchen.
Dieses Verhalten ist auf den Vertrauensverlust zurückzuführen: Wer bereits angelogen worden ist, benötigt zusätzliche Beweise, dass die andere Person diesmal mit offenen Karten spielt. Auf jeden Fall ist die Beziehung belastet und muss auch nach dem Fremdgehen noch einige Belastungsproben aushalten.
Schuldgefühle
Die Partnerin oder der Partner ist sicher nicht ohne Grund fremdgegangen: Manche Leute suchen die Schuld ausschließlich bei sich. Zwar ist es gut, die Ursachen nie ganz aus den Augen zu verlieren, damit man gegebenenfalls gemeinsam daran arbeiten kann. Zu starke Schuldgefühle wegen der eigenen Unzulänglichkeit allerdings, die die Partnerin oder den Partner in fremde Arme getrieben hat, ist kontraproduktiv: Hier ist nie nur eine Seite schuld.
Rückzug
Es kann im Leben von Betrogenen zu gesellschaftlichen Einschränkungen kommen, etwa, wenn sie Orte meiden, an denen die Partnerin oder der Partner mit der dritten Person war. Manche Menschen meiden auch den Freundeskreis, aus Angst, dass das Thema aufkommt. Versuchen wir, alle Trigger zu vermeiden, die uns die Untreue wieder vor Augen führen, beschneiden wir uns selbst.
Reaktionen, die sich nicht steuern lassen
Nicht zuletzt gibt es teilweise unwillkürliche (vegetative) Reaktionen: Betroffene schlafen oft schlecht, träumen vom Betrug oder können sich kaum konzentrieren. Möglich sind auch körperliche Reaktionen wie Zittern, Schweißausbrüche oder Hitzewallungen beim Gedanken an die Affäre.
In Anbetracht der schweren Auswirkungen ist Psychologe Ragnar Beer entsetzt, wie wenig Aufmerksamkeit dem Thema geschenkt wird: „Es wird so viel berichtet über Seitensprung-Agenturen, aber niemand spricht darüber, was für ein Schaden durch einen Seitensprung für eine Beziehung entsteht“, sagt er gegenüber dem „Stern“.
Vertrauen nach dem Fremdgehen ist schwierig
Wenn Menschen in einer monogamen Beziehung fremdgehen, brechen sie damit eine Vereinbarung. Oft ist die Partnerin oder der Partner die Person, die uns am nächsten steht: Wir teilen den Alltag, das Leben, die großen und kleinen Probleme. Finden wir heraus, dass unsere hauptsächliche Bezugsperson uns hintergeht, kann das alles infrage stellen.
Je nachdem, wie wenig wir damit gerechnet haben, kommt es uns vor, als habe man uns den Boden unter den Füßen weggezogen: Wenn wir uns schon darauf nicht mehr verlassen können, worauf denn dann? Nichts scheint mehr sicher, alles ist irgendwie entwertet. Die Forderung, erneut zu vertrauen, klingt wie Hohn: Das haben wir schließlich schon einmal getan und sind bitter enttäuscht worden.
Psychische Probleme wegen der Veränderung
Fremdgehen stellt eine große Veränderung im Leben dar: Wir sehen die Partnerin oder den Partner durch andere Augen – und uns selbst. Menschen, die vorher vertraut haben, ertappen sich plötzlich bei Verhaltensweisen wie den oben genannten Kontrollen und verachten sich selbst dafür.
Es ist eine schwierige Phase im Leben, in der wir feststellen, dass wir von anderen und uns selbst zu viel gehalten und erwartet haben. Damit umzugehen, ist neben dem Verlust von Unschuld und Vertrauen in der Beziehung ebenfalls nicht einfach: Wir müssen unsere eigenen Werte einer Überprüfung unterziehen und teilweise neu herausfinden, wer wir eigentlich sind. Das sind viele Aufgaben, die gleichzeitig auf uns einstürmen – in einem Moment, in dem wir bereits emotional erschöpft sind. Manche Betroffenen nehmen daher professionelle Hilfe in Anspruch.
Psychologin Lisa Fischbach sieht die Veränderungen als so stark an, dass sie einen Neuanfang empfiehlt, wie sie gegenüber der „Morgenpost“ erklärt: „Nach einem Seitensprung macht es wenig Sinn, in die ‚alte‘ Beziehung zurückkehren zu wollen, denn es bleibt immer eine Partnerschaft, die Untreue erlebt hat. Also sollten sich beide Partner überlegen, ob sie eine ‚neue‘ Beziehung miteinander eingehen wollen und was in Zukunft anders laufen soll.“
Was tun gegen psychische Probleme nach dem Fremdgehen?
Wenn du von einem Betrug erfährst, fällt es dir wahrscheinlich erst einmal schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Falls es irgendwie möglich ist, komm ein paar Tage bei einer Freundin bzw. einem Freund oder einem Familienmitglied unter. Achtung: Falls ihr Kinder habt, erfordert das organisatorischen Aufwand!
Ein bisschen Abstand tut gut, aber jetzt solltest du sorgfältig aufpassen, dass du keine Fehler machst. Das passiert leicht, wenn du verletzt und wütend bist. Leider kannst du dir damit selbst wehtun.
Das solltest du nach einem Betrug nicht tun
Dinge, die viele Betrogene im ersten Schmerz tun und die sich negativ auswirken, sind etwa die Folgenden:
- Freundinnen und Freunden sowie anderen Vertrauten alle Details erzählen – natürlich tut das gut, aber wer dich lieb hat, wird deine Partnerin oder deinen Partner nun negativ sehen und dir dringend zur Trennung raten. Das macht es schwierig für dich, wenn du die Beziehung eigentlich weiterführen möchtest.
- Die ganze Geschichte in den sozialen Medien teilen – soll doch alle Welt wissen, wie fies die Person dich hintergangen hat! Das mag sich erst einmal gut anhören, aber das Internet vergisst nicht. Hier sind es nicht einmal nur deine Liebsten, die davon erfahren, sondern potenziell alle Bekannten und auch Unbekannte. Du kannst die Auswirkungen nicht abschätzen!
- Rache nehmen – deine Partnerin oder dein Partner soll mal sehen, wie weh das tut, wenn du auch mit jemand anderem ins Bett steigst! Lass das lieber: Rache fällt allzu leicht auf dich zurück, du fühlst dich leer und schmutzig und hast das Gefühl, selbst nicht besser zu sein
Auch solltest du nicht unbedingt nach allen Details fragen: Wie oft, an welchen Orten, die euch als Paar etwas bedeutet haben, was haben sie zusammen ausprobiert, was du nicht kennst? Es kann tausend Dinge geben, die dich interessieren, aber je mehr Details du weißt, desto mehr Bilder hast du im Kopf. Beschränke dich beim Nachfragen lieber auf das Wesentliche: Was hat deine Partnerin oder dein Partner bekommen, was in eurer Beziehung fehlte, welches vernachlässigte Bedürfnis wurde gestillt?
Mögliche Lösungen für die psychischen Probleme
Um dem Teufelskreis aus Fragen, Vorwürfen und depressiven Phasen zu entkommen, helfen vor allem Zeit, Rückhalt, Selbstbesinnung und Kommunikation:
- Umgib dich viel mit Vertrauten, auf die du dich verlassen kannst. Ihr müsst nicht alle Einzelheiten des Betrugs durchkauen, aber es wird dir guttun zu spüren, dass du nicht allein bist.
- Erinnere dich an deine eigenen Vorlieben und Werte, gib Hobbys mehr Raum, die du vielleicht für die Beziehung zurückgestellt hast. Führe dir vor Augen, dass du ein eigenständiger Mensch bist und nicht nur Teil eines gerade dysfunktionalen Paares.
- Führe regelmäßige Gespräche mit deiner Partnerin oder deinem Partner. Findet gemeinsam heraus, was zum Fremdgehen geführt hat und wie ihr damit umgehen könnt (sei es zusammen oder getrennt). Verzichtet nach Möglichkeit auf Vorwürfe, sondern kommuniziert auf Augenhöhe.
Hast du das Gefühl, allein keinen Boden unter den Füßen zurückzugewinnen, suche dir therapeutische Hilfe. Die Expertinnen und Experten urteilen nicht. Sie können eure Beziehung und das Fremdgehen von außen betrachten. Sie sind auf niemandes Seite. Mit ihrer Hilfe kannst du das Geschehene richtig einordnen und klar für dich herausarbeiten, ob du die Beziehung weiterführen möchtest und was sich dafür ändern muss.
Nimm dir Zeit
Betrügt uns die Person, die uns am meisten bedeutet, ist das ein harter Einschnitt im Leben. Du musst nicht sofort entscheiden, was nun werden soll, falls die Entscheidung bei dir liegt – das kannst du wahrscheinlich noch gar nicht abschätzen. Gestehe dir also alle Zeit zu, die du zum Trauern, für deine Wut und für deine Zweifel brauchst. Das sind große Gefühle, die alle ihren eigenen Raum verdienen.
