Ob du deiner Partnerin oder deinem Partner Fremdgehen verzeihen solltest, lässt sich pauschal nicht beantworten: Das hängt nämlich von vielen verschiedenen Faktoren ab, die eure Beziehung und eure Gefühle betreffen. Die Situation ist jedes Mal einzigartig und sollte auch genau so betrachtet werden.
Gemeinsam glücklicher
Zum Verzeihen gehören immer zwei
Wenn deine Partnerin oder dein Partner dir eine Affäre beichtet oder du auf andere Art davon erfährst, solltest du zunächst abwarten, was sie oder er dazu zu sagen hat. Es bringt nichts, wenn du aus Angst vor Verlust der Beziehung direkt sagst, dass du den Seitensprung verzeihen kannst und ihr einfach weitermachen könnt wie bisher: Vielleicht entspricht das gar nicht den Wünschen deines Gegenübers.
Manche Menschen sind in ihrer Beziehung unglücklich und schaffen es nicht, das zu kommunizieren. Oder sie versuchen es, dringend aber mit ihren Sorgen und Nöten nicht durch. Hier kann es sein, dass die Person sich jemand anderem zuwendet. Ein Seitensprung oder eine Affäre kann für solche Menschen die Bestätigung sein, dass sie sich trennen sollten.
Der Paartherapeut Eric Hegmann fasst das gut in Worte: „Zeigt der Partner überhaupt Reue? Denn nach einer Studie von Parship bereuen über die Hälfte der Betrüger nicht. Man kann niemandem verzeihen, der gar nicht um Entschuldigung gebeten hat.“
Verzeihen ist ein langwieriger Prozess
Ob es das veränderte Verhalten war, ob deine Partnerin bzw. dein Partner selbst gebeichtet hat oder ob du es anderweitig erfahren hast: Ein Betrug ist immer schmerzhaft und stellt oft ganz grundlegende Dinge deines alltäglichen Lebens infrage:
- Das Vertrauen, das du vorher hattest, ist weg.
- Du wirst misstrauisch, hast vielleicht sogar mit psychischen Problemen zu kämpfen.
- Die Verzweiflung kommt immer wieder hoch.
- Du hast das Gefühl, deine Partnerin oder dein Partner zerstört alles, was ihr hattet.
Das ist der Untergrund, auf dem eure Beziehung erst einmal steht. Selbst wenn du den Wunsch hast, das Fremdgehen zu verzeihen, wird das also nicht einfach. Plant viel Zeit dafür ein und macht euch klar, dass ihr beide die Beziehung priorisieren müsst: Ein gedankenloses Nebeneinander, wie es vielleicht vorher war, ist jetzt nicht mehr möglich.
Die Phasen des Verzeihens nach dem Fremdgehen
Hast du nach dem ersten Unglauben, der ersten Wut und dem ersten Schmerz beschlossen, dass du an der Beziehung festhalten möchtest, folgen fünf Phasen, die ihr als Paar durchlaufen müsst. Diese sind allerdings nicht so klinisch sauber voneinander getrennt wie hier durch die Überschriften: Sie können durchdringen, sich abwechseln.
Das Ende des Betrugs
Die Grundvoraussetzung dafür, dass du die Affäre oder den Seitensprung verzeihen kannst, ist natürlich, dass der Betrug endet. Das bedeutet, dass deine Partnerin bzw. dein Partner die Affäre beendet oder auf Seitensprünge künftig zu verzichten bereit ist.
Anmerkung: Es kann sein, dass ihr beide euch darauf einigt, die Beziehung zu öffnen. In diesem Fall würde es sich nicht mehr um Betrug handeln. Hier soll es allerdings um das Verzeihen nach dem Fremdgehen in monogamen Beziehungen gehen.
Fragen wahrheitsgemäß beantworten
Wer in einer Beziehung betrügt, verspielt das Vertrauen. Um zu zeigen, dass man es gern wieder aufbauen möchte, ist hinsichtlich des Seitensprungs rückhaltlose Ehrlichkeit nötig. Wer anfangs zum Beispiel die Affäre herunterspielt und später dann doch zugibt, dass die Treffen leidenschaftlicher und häufiger waren als erwähnt, macht die Anstrengungen direkt zunichte.
Den Ursachen auf den Grund gehen
Die allerwenigsten Leute gehen komplett ohne Grund fremd. Tatsächlich gibt es sogar eine ganze Reihe verschiedener Gründe dafür, weshalb sich jemand, der in einer Beziehung ist, auf eine andere Person einlässt. Bereite dich also mental darauf vor, dir anzuhören, weshalb deine Partnerin oder dein Partner sich anderswo Aufmerksamkeit gesucht hat.
Das wird dich zusätzlich zum Betrug an sich wahrscheinlich noch einmal verletzen. Begreift diese Gespräche als Chance: Ihr könnt hier einmal beide komplett ehrlich auf den Tisch bringen, von euren enttäuschten Hoffnungen und euren Träumen sprechen und eure Bedürfnisse thematisieren.
Diese Gespräche führt ihr besser nicht zwischen Tür und Angel, dafür sind sie zu wichtig:
- Verabredet euch dafür.
- Haltet den Termin frei.
- Stellt die Smartphones stumm.
- Hört einander intensiv zu, ohne auf Vorwürfe sofort einzugehen.
Viele Paare suchen sich in dieser Phase auch professionelle Hilfe durch eine Therapeutin oder einen Therapeuten.
Bereitschaft zur Geduld
Bis Verletzungen heilen, kann es dauern. Das sollte die Person, die betrogen hat, immer im Hinterkopf behalten: Sie muss Verantwortung übernehmen, mit Misstrauen klarkommen und Zweifel der Partnerin oder des Partners aushalten. Vielleicht fühlt die oder der Betrogene gerade keine genügend starke Bindung für Sex, vielleicht ist es nötig, den Schmerz immer wieder zu thematisieren. Wer es ernst meint mit der Beziehung, akzeptiert, dass nicht mehr alles so wird wie vorher. Neues Vertrauen und neue Nähe wachsen langsam – das kann ein, zwei Jahre und mehr dauern.
Das Neue akzeptieren
Nach einem Fremdgehen kann kein Paar zurück zu dem, was vorher gewesen ist. Halten sich aber beide Beteiligten daran, dass sie regelmäßig und offen kommunizieren und auf die Bedürfnisse der anderen Person und ihrer selbst achten, kann die Beziehung sogar fester werden als vorher. Die Unschuld mag verloren sein, aber ein tieferes Verständnis und ein deutlicheres Wahrnehmen ist an ihre Stelle getreten.
Nicht alle Menschen können verzeihen
Ob jemand Fremdgehen verzeihen kann oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Manche Menschen schaffen es nach einem Vertrauensbruch wie einem Betrug nicht, das Misstrauen wieder loszuwerden. Manche werden immer wieder neu mit dem Schmerz und der Wut konfrontiert, sodass der Abstand durch Trennung die einzige Lösung ist. Wieder andere Menschen leiden durch den Seitensprung oder die Affäre so stark an Selbstzweifeln, dass sie sich für die Heilung trennen müssen.
Solltest du feststellen, dass du nicht verzeihen kannst, obwohl du das eigentlich möchtest, mach dir keinen Vorwurf: Niemand ist dazu verpflichtet. Eine Trennung ist allemal besser, als sich gegenseitig das Leben zur Qual zu machen.