Es heißt, dass Männer sich vor allem in den Momenten verlieben, in denen sie die Frau ihres Interesses nicht sehen. Verlieben durch Distanz? Tatsächlich ist etwas daran. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Der Übergang vom Überschwang zum ernsthaften Interesse
In unserem Beitrag Wie verlieben sich Männer? Die 4 Phasen haben wir erklärt, dass nach der äußerlichen und der emotionalen Phase die mentale Phase folgt: Der Mann geht in sich, überprüft seine Gefühle. Dieser Vorgang läuft bei Männern meist sehr viel introspektiver ab als bei Frauen. Viele Frauen sind es gewöhnt, ihre Freundinnen und Vertrauten an ihren Gefühlen teilhaben zu lassen – oft vom Kennenlernen an. Sie reflektieren daher schneller.
Viele Männer hingegen machen diese Erkenntnisse mit sich selbst aus. Das gilt nicht für alle: Gerade jüngere Männer kommunizieren oft mehr mit ihrem Umfeld. Häufig wird Jungs und jungen Männern aber noch vermittelt, dass es weich und unmännlich ist, über Gefühle zu sprechen. Daher ziehen sich viele erst einmal ein bisschen zurück, wenn ihr Interesse an einer Frau ernsthafter wird: Sie wollen in Ruhe prüfen, was da gerade passiert.
Während dieser Zeit merkt ein Mann in gewisser Weise, was er an der Frau hat, lernt, sie zu vermissen und realisiert gleichzeitig, dass sich Gefühle entwickeln, mit denen er eventuell nicht gerechnet hat. Es gibt verschiedene Dinge, mit denen er sich auseinandersetzen muss, etwa die folgenden:
- Bindungsangst – vielleicht hat er eine ernsthafte Beziehung bislang mit Grund gemieden?
- ein Problem damit, die aktuellen Gefühle zu benennen – ist das Verknalltsein oder mehr?
- Unsicherheit, was die Gefühle der Frau betrifft – meint sie es ernst?
- Stolz – kann er mit dem Gedanken umgehen, ihr seine Gefühle zu gestehen?
Es sind sehr persönliche Gedanken, die sich mit einer lebensverändernden Entscheidung beschäftigen (ernsthafte Beziehung: ja oder nein?). Dafür brauchen viele Männer etwas Zeit und Ruhe.
Sich der eigenen Unabhängigkeit vergewissern
Wer eine Beziehung eingeht, gibt einen Teil seiner Freiheit auf, immer das zu tun, wonach ihm der Sinn steht: Beziehung heißt immer auch Kompromiss. Gerade in den ersten beiden Kennenlern-Phasen verbringen viele Menschen viel Zeit miteinander und flirten. Kommt dann der Gedanke auf, dass man sich komplett für diese Person entscheiden könnte, folgt der Schreck: Kann ich dann gar nicht mehr meinen Hobbys nachgehen und meine Freunde treffen?
So, wie das Pendel vielleicht vorher in die eine Richtung geschwungen hat (lieber die Frau sehen als den Freundeskreis), kann es nun erst einmal zurückschwingen. Wer dabei war, sich in einer Phase der Verliebtheit kurzfristig in einer anderen Person zu verlieren, schreckt oft erst einmal zurück und besinnt sich sehr auf das, was ihn eigentlich ausmacht.
Wer es schafft, sich der eigenen Unabhängigkeit zu vergewissern, kann sich danach frei für die Beziehung entscheiden. Meist ist das Verhältnis von eigenen und Paaraktivitäten nach dieser Distanzphase ausgeglichener.
Sehnsucht wirkt romantisierend
Wie genau kommt es aber, dass Männer in dieser Phase der Distanz häufiger zur Frau hin als von ihr weg finden? Das hängt mit der Sehnsucht zusammen. War die erste Kennenlernphase schön, hat er sich stark zu der Frau hingezogen und in ihrer Nähe wohl gefühlt, vermisst er sie aus der Distanz. Sehnsucht aktiviert Gehirnregionen ganz in der Nähe der Stelle, die für physischen Schmerz verantwortlich ist. Daher kann sie auch physische Reaktionen hervorrufen wie etwa ein Ziehen in der Brust- und Bauchgegend.
Durch schöne Erinnerungen und Sehnsucht können sich die Gefühle von Männern in diesen Momenten der Distanz verstärken. Hinzu kommt der Reiz des Unzugänglichen: Hat ein Mann gerade gar nicht die Möglichkeit, die Frau seines Herzens zu sehen, möchte er das umso mehr. Die Sehnsucht wächst und mit ihr das Gefühl. Die bisherige Verbindung wird aus diesem Blickwinkel während des Alleinseins zunehmend romantischer betrachtet.
Ver- oder entliebt er sich?
Leider muss ein Rückzug nach dem ersten Überschwang nicht immer bedeuten, dass der Mann gerade seine Gedanken ordnet und seine Gefühle deutet: Es kann durchaus auch sein, dass er feststellt, dass seine Emotionen für eine Beziehung nicht ausreichen. Oft lässt sich das aber an der Kommunikation ablesen: Reagiert er weiterhin auf Nachrichten und interagiert, obwohl er gerade kein Treffen wünscht, ist das ein gutes Zeichen. Schreibt er nicht zurück und geht nicht ans Telefon, handelt es sich aber wohl leider eher um Ghosting und nicht um langsam wachsende Liebe.